Wie finde ich eine Freundin als Nerd?

6. Kapitel: Der Beruf

Die Berufswahl…warum fängt er jetzt damit an, wirst du denken? Ich will doch einfach nur eine Freundin, verdammte Scheiße!? Die Berufswahl ist für den Verlauf des Lebens genauso entscheidend wie die Partnerwahl.

Während ich diese Zeilen hier schreibe, beobachte ich Dieter. Dieter hat ein Schild mit seinem Namen vorne in der Windschutzscheibe des Führerhäuschens seines LKW einer großen bekannten Firma für mobile Toiletten. Dieters Job ist es, durch die Gegend zu fahren und Scheiße und Pisse von Bauarbeitern aus Toiletten zu saugen, die Toiletten zu reinigen, abzuholen und auszuliefern. Das macht Dieter Tag ein, Tag aus. Versteh mich nicht falsch, wenn du ein Dieter bist und das liest. Oder wenn einer deiner Verwandten ein solcher Dieter ist. Es mag Dieters geben, die damit glücklich sind und ich habe größten Respekt vor jedem Menschen, der sich einen Wecker stellt, morgens früh aufsteht und fleißiger, ehrlicher Arbeit nachgeht. Aber spielen wir das mal durch. Du sitzt mit einer attraktiven Frau beim Abendessen in einem netten Restaurant.

„Und was machst du beruflich?“, fragt sie. Das ist mindestens die dritte Frage. Wahrscheinlich sogar die erste. Das heißt, es ist ihr wichtig. Weil sie genau weiß, wie viel Einfluss der Beruf auf einen Menschen und sein Leben hat – und auf ihres, wenn sie sich auf dich einlässt.

Und jetzt antwortest du:
„Ich sauge Scheiße aus Baustellentoiletten!“

„Jackpot!“, wird sie sicher denken. „So einen habe ich schon lange gesucht! Und er ist bestimmt reich, weil er macht das nicht wegen des Geldes, sondern, weil es ihm so viel Spaß macht!“ – Merkste selbst, oder?

Für die Berufswahl gilt das gleiche wie für die Wahl einer Partnerin (oder eines Partners): Der Beruf muss dir so leichtfallen, dass du gut darin bist und nicht zu gestresst, aber dich so herausfordern, dass es nicht langweilig wird. Er muss dich zu einem besseren Menschen machen. Er muss deine eigenen Fähigkeiten fördern. Er muss dich an deine Grenzen führen und wachsen lassen. Und wenn dann auch noch am Ende des Monats ein ordentlicher Batzen Geld auf dem Konto landet, ist das einem aufregenden, aber gleichzeitig entspannten, erfüllten und glücklichen Lebensstil auch förderlich.

Es gibt heutzutage unfassbar viele verschiedene Berufe. Und auch verschiedene Arten von Berufen. Als ich Schüler war, stand mehr oder weniger ab der 5. oder 6. Klasse fest: „Der Jung macht Abitur!“. Gefühlt jeder macht heute Abitur. Es machen Leute Abitur, die wirklich nicht Abitur machen sollten. Die es niemals schaffen, ein ernsthaftes Studium durchzuziehen. Diese Leute verplempern drei (oder zwei bei G12) Jahre ihres Lebens mit Schulstoff, den sie nie wieder brauchen werden. Ich bin 13 Jahre zur Schule gegangen, ohne dass nur ein einziges Mal die Begriffe „Steuererklärung“, „Selbstständigkeit“, „Karriereplanung“, „Hausbau“, „Haushaltsbuch“, „Budgetplanung“, „Wie miete ich eine Wohnung?“ auch nur gefallen wären. Stattdessen haben wir gelernt, dass der Vater des Nachts mit seinem Kinde durch den Wald ritt. Das ist schönes Allgemeinwissen und man scheitert bei Günther Jauch ohne dieses Wissen an der 50€ Frage. Aber die Themen, die im Leben richtiges Geschiss – und auch richtigen Erfolg bedeuten – die werden da nicht gelehrt. Und woran liegt das? Die Mehrzahl der Lehrer hat selbst die Schule besucht, Abitur gemacht, dann auf Lehramt studiert, Referendariat, diverse Prüfungen – alles im Mikrokosmos „Schule“ – negativ könnte man es auch als ein Wolkenkuckucksheim oder eine Blase bezeichnen. Dann werden die oft verbeamtet, d.h. eine ordentliche Versorgung auf Lebenszeit, Pension statt Rente. Die Eigenheiten des Lebens in der freien Wirtschaft sind ihnen so suspekt wie fremd. Die besten Lehrer, die ich im Leben hatte, waren Quereinsteiger, die was aus dem „echten“ Leben zu erzählen hatten. 

Die landläufige Meinung, Abitur und Studium seien der Schlüssel zu einem ordentlichen Einkommen gilt für viele Leute einfach nicht. Wenn du kein Theoretiker bist, der sich massenhaft Stoff reinzieht und in der Klausur wieder auskotzt, wirst du es im Studium schwer haben. Wenn du praktisch veranlagt bist, dann mach eine Ausbildung. In Deutschland gibt es das vielleicht weltweit beste System zur Ausbildung von Handwerkern und anderen Berufen. Und viele, viele dieser Berufe ermöglichen später die Meisterprüfung und Selbstständigkeit. Die Eigenheimbesitzer-Quote unter selbstständigen Handwerkern, die einen eigenen Betrieb mit einigen Mitarbeitern führen, liegt bei gefühlt über 90% - wogegen die Akademiker vielleicht auf 50% kommen – und da insbesondere auch nur die Ingenieure, Ärzte, Anwälte etc. - Als Lehrer beispielsweise wird das heutzutage schon eng.

„Ich bin Elektrikermeister und führe meinen eigenen Betrieb mit 6 Mitarbeitern“ klingt doch besser als „Ich sauge Scheiße aus Baustellentoiletten“?! Die einzige Berufssparte, die bei Frauen noch beliebter sein dürfte als Handwerker, sind Ärzte. Arzt zu werden ist aber aufgrund der Art und Weise, wie man in Deutschland Arzt wird, ungleich schwieriger. Um Arzt zu werden muss man bekanntlich Medizin studieren. Es gibt in ganz Deutschland etwa pro Semesterstart knapp 10.000 Studienplätze für Medizin. Bewerben tun sich aber Jahr für Jahr rund 100.000 Studenten. Das führt zu viel Wettbewerb, hohen Zulassungsbeschränkungen in Form von nc (numerus clausus, Abiturnote) – mit einem 2,3er Abi kann man das quasi vergessen, in Form von Eignungstests etc. 

Und wenn man einen Studienplatz ergattert hat, ist das natürlich kein Selbstläufer. Man muss sich da durchpauken und vor allem braucht man Geld. Viel Geld - vom Studienbeginn bis zum ersten Gehalt dauert es viele Jahre. Wer da kein Superman ist und nebenbei arbeitet, braucht Eltern mit gut gefüllter Brieftasche. Die hat nun mal leider nicht jeder. Hast du sie? Nein? Dann ist das mit dem Elektriker vielleicht eher was für dich.

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